Kapitel 4

Die Trinity-Studie

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Die Wurzel der 4%-Regel im FIRE-Konzept

Im vorherigen Artikel haben wir die berühmte 4%-Regel kennengelernt – eine einfache Faustformel, die dir hilft, deine FIRE-Zahl zu berechnen. Aber woher kommt diese Regel eigentlich? Wer hat sie aufgestellt, und wie belastbar ist sie?

Die Antwort führt uns zurück an eine Universität in Texas. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die sogenannte Trinity-Studie – die wissenschaftliche Grundlage für das, was heute Millionen Menschen als Richtschnur für den Ruhestand nutzen.

Was ist die Trinity-Studie?

Die Trinity-Studie wurde 1998 von drei Professoren an der Trinity University in San Antonio, Texas, veröffentlicht. Ihr Ziel war es, eine zentrale Frage zu beantworten:

Wie viel kann man im Ruhestand jährlich aus seinem Portfolio entnehmen, ohne dass einem das Geld ausgeht?

Dazu analysierten sie historische Börsendaten und simulierten verschiedene Entnahmestrategien. Ihre Erkenntnisse legten den Grundstein für das, was später als 4%-Regel bekannt wurde.

Wie die Studie aufgebaut ist

Die Autoren arbeiteten mit realen Marktdaten aus den Jahren 1926 bis 1995. Sie betrachteten dabei verschiedene Mischungen aus Aktien und Anleihen, z. B. 50/50 oder 75/25, und prüften, wie lange ein Portfolio bei unterschiedlichen Entnahmeraten durchhält.

Die wichtigste Frage war:
Wie hoch darf die jährliche Entnahme sein, damit das Geld mindestens 30 Jahre reicht – inklusive Inflationsanpassung?

Entnahmerate Erfolgsrate (50/50-Portfolio)
3 % 100 %
4 % 95 %
5 % 80 %
6 % 60 %
7 % 40 %

Erfolgswahrscheinlichkeit bei verschiedenen Entnahmeraten

Die Ergebnisse zeigen, wie stark die Entnahmerate den langfristigen Erfolg beeinflusst, und welche Rate sich historisch bewährt hat.

Eine Entnahmerate von 4 % war in den meisten historischen Zeiträumen erfolgreich – selbst bei konservativen Portfolios.

Auch riskantere Portfolios mit einem hohen Aktienanteil – etwa 75 % oder sogar 100 % – schnitten gut ab, wenn auch mit stärker schwankenden Verläufen.

Was uns die Studie wirklich zeigt

Die zentrale Aussage der Trinity-Studie lautet:
Wenn dein Depot breit gestreut und langfristig investiert ist, kannst du eine nachhaltige Entnahmerate von rund 4 % erwarten.

Die Simulationen ergaben, dass du bei einer Mischung aus Aktien und Anleihen in über 90 % der Fälle mindestens 30 Jahre lang entspannt leben konntest – ohne dass das Geld zur Neige ging.

Entnahme Erfolgsraten verschiedener Portfolio-Mischungen bei Entnahmeraten von 3 % bis 7 % über 30 Jahre Ruhestand.

Aber gilt das auch für uns?

Die Trinity-Studie war ein Meilenstein – aber sie ist kein Gesetz.
Sie wurde unter US-Bedingungen entwickelt, mit dem dortigen Steuersystem, Rentenmodell und Gesundheitssystem. In Deutschland gelten andere Rahmenbedingungen.

Außerdem ging die Studie von einer festen Entnahmestrategie aus: Jahr für Jahr derselbe Betrag, unabhängig von der Marktentwicklung.
Das funktioniert nur, wenn man sehr diszipliniert ist – oder einen hohen Puffer hat.

Zudem richtete sich die Studie an klassische Ruheständler mit einer geplanten Lebensdauer von etwa 30 Jahren. Für FIRE-Anhänger, die vielleicht schon mit 40 oder 45 in Rente gehen wollen, reicht diese Zeitspanne nicht aus.

Was bedeutet das für FIRE?

Trotz aller Einschränkungen bleibt die Trinity-Studie ein wertvoller Kompass.
Sie zeigt, dass finanzielle Unabhängigkeit möglich ist – auch bei regelmäßiger Entnahme.

Viele FIRE-Anhänger nutzen die Erkenntnisse der Studie, passen die Entnahmerate aber an ihre Lebensrealität an. Einige planen mit 3,5 %, andere bauen sich Sicherheitsnetze auf – z. B. durch Teilzeitarbeit, Mieteinnahmen oder Flexibilität bei den Ausgaben.

Die Trinity-Studie liefert kein starres Rezept – sondern eine realistische Grundlage.

Fazit: Wissenschaft trifft Lebenspraxis

Die Trinity-Studie ist der Ursprung einer Idee, die viele Menschen inspiriert:
Dass man ein Leben ohne Geldsorgen gestalten kann – mit System, Planung und Ausdauer.

Die 4%-Regel mag einfach klingen, aber sie hat ein solides Fundament. Sie erinnert uns daran, dass finanzielle Freiheit nicht nur eine Zahl ist – sondern eine Strategie, die auf Wissen und Erfahrung basiert.

Ausblick: Und wie kommst du dahin?

Jetzt kennst du das Ziel – aber wie erreichst du es eigentlich?
Im nächsten Artikel steigen wir tiefer ein: Wie viel musst du sparen, um deine FIRE-Zahl zu erreichen? Und wie sehr beeinflusst deine Sparrate den Weg in die Unabhängigkeit?

Hier geht es weiter: Wie viel musst du sparen? – Die Sparrate verstehen (Teil 1)