Kapitel 3

Die Telekom Aktie und ihre Glaubenssätze

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Die Telekom-Aktie und das verlorene Vertrauen: Warum viele Deutsche Aktien meiden

Ein Satz, den viele von uns gehört haben

„Mein Onkel hat damals viel Geld mit der Telekom-Aktie verloren – seitdem fasst er keine Aktie mehr an.“ So oder so ähnlich hören wir es immer wieder. Und vielleicht hast du diesen Satz selbst schon einmal gesagt. Für viele aus unserer Generation – die heute zwischen 35 und 50 Jahre alt sind – ist die Erinnerung an die Telekom-Aktie ein stilles Kapitel der eigenen Finanzsozialisation. Auch wenn wir damals noch Kinder oder Jugendliche waren: Irgendetwas ist mit dieser Aktie schiefgelaufen – das haben wir gespürt.

Das Vertrauen in Aktien als soliden Baustein der Altersvorsorge wurde damals tief erschüttert. Und die Folgen wirken bis heute nach – vor allem in einer Generation, die eigentlich längst selbst investiert sein sollte.

Die Telekom als „Volksaktie“ – ein historischer Rückblick

Die Deutsche Telekom ging 1996 an die Börse.
Es war der erste große Börsengang nach der Wiedervereinigung, und er wurde von der Bundesregierung als regelrechter „Volksaktien“-Boom inszeniert. Die Werbung war allgegenwärtig: Man erinnere sich an die ikonischen TV-Spots mit Manfred Krug, der mit seiner sonoren Stimme für die Aktie warb. Die Telekom wurde zum Symbol einer neuen Zeit – zum Einstiegstor in eine angeblich einfache Aktienwelt.

Doch viele unterschätzten das Risiko. Die Telekom-Aktie wurde bei der Erstnotiz 1996 zu 14,57 Euro ausgegeben (umgerechnet nach der Euro-Umstellung), beim zweiten Aktiensplit 1999 zu rund 39,50 Euro. Der Kurs stieg eine Zeit lang stark an, bevor er ab 2000 dramatisch abstürzte. Im Jahr 2002 notierte die Aktie bei unter 10 Euro. Der Hype war geplatzt. Die Dotcom-Blase hatte auch die Telekom mitgerissen – und mit ihr das Vertrauen Hunderttausender Kleinanleger.

Ein kollektives Trauma – und seine Folgen

Viele Menschen verloren damals einen nicht unerheblichen Teil ihres Ersparten – oder kannten jemanden, dem es so ging.
Für viele Familien, auch für unsere, war das prägend: Die Börse war kein Ort, an dem man Geld „anlegt“. Sie war ein Ort, an dem man Geld verliert.

Und so entstanden Glaubenssätze, die tief sitzen – und oft unreflektiert weitergegeben werden.

„Aktien sind riskant.“ – „Nur Profis können sowas machen.“ – „Da verliert man doch nur Geld.“ Diese Aussagen haben wir oft gehört. Nicht unbedingt als bewusste Warnung, sondern eher als Grundrauschen im Familienalltag. Wer sparen wollte, machte Bausparverträge. Wer investieren wollte, dachte an Immobilien. Aber Aktien? Viel zu unsicher.

Diese Prägungen wirken nach. Auch wir haben lange gezögert, obwohl wir sparsam lebten, bewusst mit Geld umgingen und eigentlich schon früh das Ziel hatten, finanziell unabhängig zu sein. Aber Aktien? Das war für andere.

Corona – der Wendepunkt in unserem Denken

Es war erst nach Corona, dass wir langsam begannen, umzudenken.
Plötzlich war mehr Zeit da – und auch mehr Unsicherheit. Die Idee, nur auf Betongold oder Sparbuch zu setzen, fühlte sich nicht mehr richtig an. Wir entdeckten YouTube-Kanäle, Finanzblogs, Bücher. Und je mehr wir lasen, desto klarer wurde: Das Problem ist nicht die Aktie – das Problem ist das fehlende Verständnis dafür, wie Risiko wirklich funktioniert.

Denn es stimmt ja: Einzelaktien wie die Telekom können abstürzen. Auch Traditionsunternehmen wie BASF oder SAP sind nicht vor Kursverlusten gefeit. Wer dort investiert, muss bereit sein, sich intensiv mit Bilanzen, Geschäftsberichten und Zukunftschancen zu beschäftigen. Aber genau das wollten wir nicht. Wir wollten nicht unser halbes Wochenende in Unternehmensanalysen investieren, sondern eine verlässliche, langfristige Strategie finden – die auch zu unserem Familienalltag passt.

Warum wir ETFs für uns entdeckt haben

Und so kamen wir zu ETFs.
Breit gestreut, kostengünstig, transparent. Kein Versprechen auf schnelle Gewinne – aber auch kein Klumpenrisiko wie bei der Telekom-Aktie. Die Idee, in hunderte oder sogar tausende Unternehmen gleichzeitig zu investieren, nimmt das Drama aus der Entscheidung. Es ist kein Pokerspiel mehr, sondern ein langfristiger Plan.

Dabei mussten wir auch unsere inneren Glaubenssätze loslassen.
Es war nicht leicht, unseren Eltern zu erklären, dass wir nun „an die Börse gehen“. Die Reaktionen reichten von Stirnrunzeln bis zu echtem Entsetzen. „Wollt ihr wirklich euer Geld aufs Spiel setzen?" Und nein – das wollten wir nie. Aber wir hatten erkannt, dass das eigentliche Risiko darin liegt, nichts zu tun.

Heute investieren wir – mit Überzeugung, nicht mit Mut

Heute sind wir froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind.
Wir investieren nicht, weil wir plötzlich mutiger wären. Sondern, weil wir verstehen, wie der Markt funktioniert – und welche Rolle Zeit und Streuung spielen. Und wir wünschen uns, dass auch andere Familien diesen Schritt wagen – ohne sich erst durch eine eigene Telekom-Erfahrung kämpfen zu müssen.

Die Vergangenheit bestimmt nicht unsere Zukunft

Denn ja: Die Telekom-Aktie war ein Trauma für eine ganze Generation.
Aber sie muss nicht unser Maßstab bleiben. Wir können neue Maßstäbe setzen. Mit Wissen. Mit Erfahrung. Und mit einem gesunden Blick auf das, was möglich ist – auch für ganz normale Familien wie unsere.


Infobox: Die Telekom-Aktie – Zahlen, Fakten, Auswirkungen

Der Börsengang der Deutschen Telekom war einer der spektakulärsten der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Erster Börsengang (T-Aktie): 18. November 1996
Ausgabepreis: 28,50 DM (umgerechnet ca. 14,57 €)
Vermarktet als „Volksaktie“, unterstützt durch eine große Werbekampagne mit Manfred Krug.

Zweiter und dritter Börsengang:
Weitere Aktien wurden 1999 (39,50 €) und 2000 (66,50 €) an den Markt gebracht – also zu deutlich höheren Preisen.

Höchstkurs:
Im März 2000 erreichte die Aktie ihren historischen Höchststand von über 100 € (Split-bereinigt).

Absturz:
Nach dem Platzen der Dotcom-Blase verlor die Telekom-Aktie massiv an Wert.
2002 notierte sie zeitweise unter 10 €. Viele Anleger verloren einen Großteil ihres Einsatzes.

Bis heute keine vollständige Erholung:
Selbst rund 25 Jahre später liegt der Kurs (Stand: 2025) noch immer deutlich unter dem damaligen Höchststand. Dividenden konnten das für viele Privatanleger nicht ausgleichen.

Gesellschaftliche Wirkung:
Der Fall der Telekom-Aktie hat in Deutschland das Bild der Aktie als Anlageform stark beschädigt.
Er wurde für viele zum Sinnbild für „unsichere“ Geldanlage – mit langfristigen Folgen für die Aktienkultur.