Kapitel 8

8 - Welt-ETF, All-in oder Mischung? Beispielportfolios im Vergleich

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Der rote Faden im ETF-Dschungel – warum wir über Portfolio-Strategien sprechen

Am Anfang klingt Investieren ganz einfach: „Einfach einen ETF besparen, und gut ist.“ Und in gewisser Weise stimmt das auch. Aber wenn man tiefer einsteigt, merkt man schnell: Es gibt viele Wege, sich ein Depot aufzubauen – und noch mehr Meinungen, welcher der „beste“ ist. Vom minimalistischen Welt-ETF bis hin zu fein austarierten Mischportfolios mit Anleihen, Gold und Immobilien ist alles dabei. Und genau deshalb lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und die Optionen in Ruhe anzusehen.

Keep it simple: Ein Welt-ETF als Einsteigerlösung

Der vielleicht einfachste Weg in die Welt des Investierens ist ein All-in-Ansatz mit einem einzigen ETF – zum Beispiel einem ETF auf den MSCI ACWI oder den FTSE All-World. Diese Produkte vereinen in einem Fonds mehrere tausend Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern. Du bekommst damit eine weltweite Streuung in einem einzigen Wertpapier – einfach, günstig, effizient.

Für viele FIRE-Einsteiger*innen ist das die perfekte Lösung: Kein Nachdenken über Gewichtungen, kein Rebalancing, kein Stress. Und auch wir finden: *Ein Welt-ETF ist nicht nur für Anfängerinnen sinnvoll – sondern oft auch für Fortgeschrittene, die sich Vereinfachung und Stabilität wünschen.**

Welt plus EM: Der Klassiker unter den FIRE-Portfolios

Etwas differenzierter ist das sogenannte 70/30-Portfolio, das aus einem ETF auf den MSCI World und einem weiteren auf die Emerging Markets besteht. Die Idee dahinter: Der MSCI World bildet nur Unternehmen aus Industrieländern ab – Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien fehlen. Wer diese mit ins Boot holen will, ergänzt sie gezielt.

Das Ergebnis ist oft ein Portfolio mit 70 % Industrieländern und 30 % Schwellenländern – wobei manche auch 80/20 oder 60/40 wählen. Diese Kombination bietet etwas mehr Kontrolle und kann leicht angepasst werden. Sie ist eine der beliebtesten Varianten unter FIRE-Familien – auch, weil sie sich flexibel in Sparpläne umsetzen lässt.

Regionale Gewichtung selbst bestimmen: Europa, USA, Schwellenländer & Co.

Wer tiefer eintaucht, kann sein Portfolio noch gezielter aufbauen – etwa mit einzelnen ETFs auf Europa, Nordamerika, Asien oder andere Regionen. Damit lassen sich individuelle Schwerpunkte setzen: Mehr USA-Anteil, weil dort die größten Tech-Unternehmen sitzen? Mehr Europa, weil man die Region besser kennt?

Das klingt spannend – und das ist es auch. Aber: Je differenzierter dein Portfolio wird, desto höher wird auch der Aufwand. Rebalancing, neue Marktentwicklungen, steuerliche Fragen – all das braucht Aufmerksamkeit. Deshalb ist dieser Weg nicht unbedingt besser – sondern nur dann passend, wenn man sich bewusst dafür entscheidet und langfristig dabeibleibt.

Anleihen und Rohstoffe beimischen – sinnvoll oder Ballast?

In klassischen Finanzratgebern liest man oft von Mischportfolios: ein Teil Aktien, ein Teil Anleihen, manchmal sogar Gold, Rohstoffe oder REITs (Immobilienfonds). Ziel ist es, Schwankungen zu reduzieren und das Depot robuster zu machen. Gerade in der Entnahmephase – also wenn man von seinem Vermögen leben will – kann das sinnvoll sein.

Aber: In der FIRE-Ansparphase liegt der Fokus meist auf Wachstum. Anleihen bringen Stabilität, aber auch geringere Rendite. Für viele junge Familien, die noch 10, 20 oder 30 Jahre ansparen, ist ein reines Aktienportfolio daher naheliegend. Rohstoffe und Co. hingegen erfordern noch mehr Spezialwissen – und spielen in FIRE-Depots meist eine untergeordnete Rolle.

Beispielportfolios im Überblick – was andere FIRE-Familien machen

Manche FIRE-Familien setzen auf den All-in-ETF – zum Beispiel den Vanguard FTSE All-World. Andere wählen die klassische 70/30-Kombi, wie wir es anfangs auch getan haben. Dann gibt es die, die auf drei oder vier ETFs setzen, um bestimmte Regionen stärker zu gewichten. Und wieder andere mischen ETFs mit Anleihen oder Immobilien-ETFs, vor allem wenn sie näher an der Entnahmephase sind.

Es gibt nicht den einen perfekten Bauplan. Aber es gibt bewährte Varianten – und die lassen sich an die eigene Situation anpassen. Wichtig ist vor allem: Die Strategie sollte zu deinem Leben, deinem Einkommen und deinem Umgang mit Risiko passen – nicht zu einem Finanzforum oder YouTube-Kanal.

Was passt zu uns? – Wie wir heute aufgestellt sind (und warum)

Wir selbst haben mit dem 70/30-Ansatz begonnen: 70 % MSCI World, 30 % MSCI Emerging Markets. Später kam der FTSE All-World ETF hinzu, der heute über ein Drittel unseres Portfolios ausmacht. Dazu führen wir noch ein separates „Zusatztopf-Depot“ mit dem S&P 500 ETF, in das wir nur Einmalzahlungen investieren. Der High Dividend ETF war ein kleines Experiment – nicht strategisch, aber lehrreich.

Heute sind wir bei etwa 74 % Industrieländer, 26 % EM – und das ist völlig okay für uns. Unser Ziel ist nicht Perfektion, sondern Konsistenz. Und unsere Regel lautet: Änderungen nur, wenn sie wirklich notwendig sind – nicht aus Langeweile oder wegen kurzfristiger Trends.

Keine perfekte Lösung – aber eine, die zu dir passt

Vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis auf dem Weg zu einem eigenen FIRE-Depot: Es gibt keine universelle Wahrheit. Was für uns funktioniert, muss nicht für dich funktionieren. Und was heute gut passt, kann in fünf Jahren zu kompliziert oder zu konservativ sein.

Deshalb unser Rat: Wähle ein Portfolio, das du verstehst – und mit dem du auch in unruhigen Zeiten ruhig schlafen kannst. Fang lieber einfach an und entwickle es mit der Zeit weiter. Denn FIRE ist kein Sprint – sondern ein langfristiger Weg. Und dein Depot sollte dabei nicht der Stolperstein sein, sondern der Boden, auf dem du sicher gehst.

Ausblick: Rebalancing – wann du dein Depot neu ausrichten solltest

Im nächsten Kapitel schauen wir uns an, was passiert, wenn dein Portfolio aus dem Gleichgewicht gerät – zum Beispiel, weil eine Region stark wächst oder fällt. Rebalancing heißt das Zauberwort: ein Mechanismus, um deine ursprüngliche Strategie beizubehalten, ohne ständig umzuschichten. Wir zeigen dir, wie das funktioniert, wie oft man es machen sollte – und wie du dabei ruhig, effizient und steuerlich klug bleibst.

Hier gehts zu: Rebalancing - wann du dein Depot neu ausrichten solltest